Törnbericht Dr. Manfred Neitzert: September 2022

Ja, im Jahr 2022 gibt es eine nicht unwesentliche Vorgeschichte.Die Fertigstellung des schon im September 2021 in Auftrag gegebenen Teakdecks (Flexiteak natürlich) verzögerte sich immer wieder. Als Begründung musste mal wieder das „arme“ Corona-Virus herhalten. Zu Pfingsten kam endlich grünes Licht von der Werft Boat and Living aus Heiligenhafen. Zum Abschied von der schönen Heimat machten wir am Freitag vor Pfingsten eine Fahrrad-Tour durchs romantische Wiedbachtal.

Auf der Rückfahrt, keine 200m von unserem Haus entfernt, stürzte Jutta so unglücklich, dass sie sich die Kniescheibe zertrümmerte. Die notwendige Operation verlief laut Auskunft der Ärzte gut. Man stellte mir eine wiederhergestellte Co-Skipperin für Ende August in Aussicht.

Um wenigsten noch etwas von unserer geliebten Vita Nova zu genießen, plante ich für September eine 3 Tagesfahrt mit anschließendem Stadturlaub nach Kopenhagen. Vorausplanend wie ich nun mal bin, buchte ich eiligst das Winterlager 2022/2023 nahe Kopenhagen.

Und bezahlte dieses, wie üblich, auch gleich im Voraus.

Der Sommer verging und an einen Bootsurlaub war für Jutta auch im September nicht zu denken. Also suchte ich nach einem Ersatz für die notwendige Überfahrt nach Kopenhagen.

Zunächst hatte ich einige Angebote von Freunden, die mitfahren wollten.

Doch einer nach dem anderen musste aus beruflichen oder familiären Gründen absagen.

In Heiligenhafen waren inzwischen alle Plätze fürs Winterlager vergeben und auf das zur Greve Marina „Hejren“ überwiesene Geld wollte ich verständlicherweise auch nicht gerne verzichten.

Die Rettung kam in Form meines Bruders Hans-Werner, der vom Bootsvirus auch schon lange befallen ist. Nachteil von Hans-Werner ist: er ist noch berufstätig.

Wir hatten Anfang September nur ein sehr enges Zeitfenster zur Verfügung. Zunächst war die Wettervorhersage nicht übel. Aber die Prognose verschlechterte sich von Tag zu Tag.

Ich hatte mir im Mittelmeer geschworen nie mehr unter Termindruck einen Törn anzutreten.

Aber: keine Regel ohne Ausnahme.

Einige Tage zuvor hatte ich mein Auto zur Marina Hejren gebracht.

Hans-Werner war Mitten in der Nacht zum Freitag losgefahren und traf schon gegen Mittag in Heiligenhafen ein.

Nun konnte es losgehen.

Freitag, 02.9.2022:

Endlich Leinen los um Punkt 12:00 Uhr.

Schon vor der Fehmarnbelt-Brücke hörten wir das Schrecksignal aller Motorbootfahrer:

der stb.-Motor gab das bekannte schrille Pfeifen von sich, d.h. ihm ist zu heiß geworden.

Zunächst testete ich den Wasserzulauf: Okay, Filter ist nicht verstopft.

Nach Telefonat mit dem zuständigen Werfttechniker kann der sich das auch nicht erklären, denn bei seiner Testfahrt war alles okay.

Wir stimmen mit ihm überein: es kann nur am Impeller liegen.

Mit einer Maschine schleppen wir uns in einen kleinen Werfthafen direkt hinter der Brücke auf Fehmarn. Gott sei Dank habe ich schon eine gewisse Übung im Wechseln des Impellers und kenne Tricks, um das störrische Gummi-Rad in das Gehäuse zu bringen.

Nach einer knappen Stunde hieß es wieder: Leinen los.

Als wir aus der Inselabdeckung raus waren, trafen uns die Wellen aus Nord-Ost (natürlich gegen an) so richtig. Aber dies sollte nur ein Vorgeschmack auf die nächsten 2 Tage sein. Um 19:15 legten wir im Sportboothafen von Gedser auf der dänischen Insel Falster an.

Wie in Dänemark üblich ist alles automatisiert und man bekommt keinen Hafenmeister zu Gesicht.

Das anvisierte Restaurant machte schon um 20:00 Uhr dicht. Auch das nicht unüblich in Dänemark. Rettung vorm Verhungern gabs bei einem Italiener, der uns mit hervorragend gegrillten Hähnchen verköstigte.

Tagesweg durchs Wasser: 39,1 sm;

Betriebsstunden: 6,8 bzw. 6,6 h (da stb. Motor zeitweise außer Betrieb)

Hafengebühr: 195,00 DK = 26,20 €

Samstag, 03.9.2022:

Nach einer ruhigen Nacht machen wir um 9:20 Uhr die Leinen los und fahren erst mal zur örtlichen Bootstankstelle. Vita Nova schluckt 449 ltr. für 7.893,29 DK = 1.060,50 €.

Das entspricht etwa 2,36 € / ltr. für GTL-Diesel (damit keine Dieselpestgefahr).

Wäre zu der Zeit in Deutschland, glaube ich, wohl auch nicht billiger gewesen.

Verbraucht haben wir seit der letzten Tankfüllung im Juli 2021 in Sonderburg (Dänemark) durchschnittlich 2,38 ltr./sm oder 1,37 ltr./km.

Nun kommt der schönste und entspannteste Teil unseres Törns: Wir tuckern in Verdränderfahrt zwischen den Inseln Lolland und Falster gen Norden. Es gibt sogar 2 bewegliche Brücken, die aber schon bei unserer Annäherung geöffnet werden. Die Fahrrinne ist betonnt und man sollte sich auch tunlichst penibel an die Betonnung halten. Für Segelboote mit üblicherweise mehr Tiefgang als unsere 1,10 m ist die Strecke tabu. Nach Kursänderung nördlich von Falster gen Westen navigieren wir zwischen Själland und Falster durch eine schon nicht mehr so ruhige See genau gegen den aufkommenden Ostwind.

Obwohl wir fast alles in Verdrängerfahrt absolvieren, legen wir schon um 14:35 Uhr nach 39,1 sm und 6,8 Stunden in Kalvehave an. Im Minikaffee direkt am Kai ergattern wir die beiden letzten Kuchenstücke. Die Bedienung erklärt uns, dass das von mir ausgesuchte Restaurant im nahen Hotel seit diesem Sommer geschlossen hat. In einem kleinen Lebensmittelladen decken wir uns mit dem nötigsten ein. Heute Abend wird deftig gekocht. Bier ist genug von zu Hause an Bord.

Die einfachen, aber sauberen Hafenduschen stimmen uns wieder Kalvehave gegenüber etwas milder.

Tagesweg durchs Wasser: 55,2 sm;

Betriebsstunden: 4,8 h

Hafengebühr: 200 DK = 26,9 €

Sonntag, 04.9.2022:

Der Wind hat eher noch zugenommen, aber wir möchten heute gerne die fürs Winterlager auserkorene Marine Hejren in Greve südlich von Kopenhagen erreichen. Als wir den Schutz von Mön verlassen und unseren Kurs nördlicher anlegen müssen, treffen uns die Wellen von der Steuerbordseite. Gott sei Dank war ich schon vorher im ruhigen Gewässer in Gleitfahrt gegangen. Jetzt wären wir wohl nicht mehr „raus“ gekommen. Jede zweite Welle spritz höher als unsere Fly (3,5 m überm Wasser) und der Ostwind sogt für eine salzige Dusche am Fahrstand.

Es fühlt sich an, als ob jemand alle paar Minuten einen Eimer Wasser über uns ausleert.

Als wir den Hafen von Rödvig querab haben, entschließen wir uns dort einzulaufen und dann zu entscheiden, ob wir weiterfahren oder dortbleiben. Wenn Hans-Werner von Kopenhagen nach Hause durchfährt (über 1.000km) hätten wir noch einen Tag in Reserve.

Im Hafen Rödvig ist es schlagartig fast ruhig. Wir machen fest und merken erst jetzt, dass wir bis auf die Unterhosen durchnass sind.

Typischer Anfängerfehler: nicht die bestmögliche Kleidung angezogen. Wir ziehen uns komplett neu an mit trockenen und vor allem angesagtem Schwerwetter Zeug. Die Sachen von Jutta passen Hans-Werner recht gut. Es ist nicht kalt und wir müssen nicht zig Lagen unter den Extremwetter-Anzügen anziehen.

So wieder trocken und warm geht es uns gut und wir beschließen einstimmig die restlichen 25 sm noch heute zu absolvieren.

Denn am nächsten Tag soll es eher noch mehr blasen. Also Maschinen an und raus auf die raue See.

Das Navi spinnt total, weil es die Wassertropfen (Touchscreen) als „Befehle“ interpretiert.

Die Sicht ist auch nicht besonders.

Gott sei Dank habe ich nach alter Väter Sitte den Kurs mit Bleistift, Zirkel und Lineal auf der Karte eingezeichnet und berechnet. So können wir dank unseres Kompasses, der ohne irgendwelchen elektronischen Schnickschnack funktioniert den Kurs halten. Wenn auch nur wegen der Schaukelei auf 3 bis 5 Grad Genauigkeit.

Endlich tauchen die Schornsteine eines Kraftwerkes, welches etwas östlich unseres Zieles liegt, auf und wir können nach dieser Landmarke navigieren, was ja bekanntermaßen immer noch am entspanntesten ist.

Auch diesmal schonen wir weder Motor, Boot und Geldbeutel (Dieselverbrauch) und gehen noch in der Hafenausfahrt ins Gleiten. So laufen wir schließlich nach knapp 2 Stunden in der Marina Hejren um 13:05 Uhr ein.

Einen Liegeplatz hatte ich mir schon beim Auto-Hinbringen ausgeguckt.

Die Marina südlich von Kopenhagen ist wirklich in Ordnung und hat u.a. ein gutes Restaurant und eine Bude, wo es Softeis gibt. Zunächst gönnen wir uns das Softeis, dann warme Duschen und zum Tagesausklang ein gutes Fischessen mit ordentlich gezapftem Bier dazu.

In nur 3,2 Motorstunden haben wir 45,6 sm zurückgelegt bei schätzungsweise einem Wellengang der Stärke 4 bis 5 von schrägvorne an steuerbord.

Und wieder habe ich mir geschworen: immer sofort das bestmögliche Schwerwetterzeug anziehen. Aber ich schwöre ebenfalls: wir lassen uns nicht mehr unter Zeitdruck bringen und bleiben mit unserem Schönwetterboot bei solchen Gegebenheiten schön brav im Hafen liegen.

Montag, 05.9.2022:

Ganz entspannt legen wir die Vita Nova auf Anweisung des Hafenmeisters längsseits an einen Gästesteg. In ca. 5 Wochen bin ich wieder an Bord zum Rauskranen und Winterfest machen.

Gut vertäut verabschieden wir uns von Vita Nova, die mal wieder bewiesen hat, dass sie mehr aushält, als man ihr zutraut.

Liegeplatz in der Marina Boat and Living in Heiligenhafen

Abendstimmung in Gedser

Zwischen Lolland und Faster: die Brücke öffnet sich sofort

Liegeplatz in Kalvehave

Tanken in Gedser: vollautomatisch wie alles in diesem Hafen

Foto unserer Route vom Plotter aufgenommen

Liegeplatz in der Marina Hejren in Greve bei Kopenhagen